BVerwG: MPU nach einmaliger Trunkenheitsfahrt ohne Ausfallerscheinungen
News von bussgeldkatalog.org, veröffentlicht am: 18. März 2021

Ein Mann sollte nach seiner erstmaligen Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von 1,3 Promille und ohne Ausfallerscheinungen ein medizinisch-psychologisches Gutachten (MPU) für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis erbringen. Er wehrte sich gegen diese Anordnung der Fahrerlaubnisbehörde. Doch nun unterlag er vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG). Die Richter entschieden, dass eine MPU nach einmaliger Trunkenheitsfahrt mit einer hohen BAK und fehlenden Ausfallerscheinungen angeordnet werden kann.
BAK ab 1,1 Promille und fehlende Ausfallerscheinungen begründen Annahme eines (künftigen) Alkoholmissbrauchs
Wenn die Fahrerlaubnisbehörde nach einer Alkoholfahrt Zweifel an der Fahreignung hat, kann sie zu deren Klärung anordnen, dass der Betroffene ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen hat. Nach Auffassung der Richter des BVerwG ist die Anordnung einer MPU bereits nach einmaliger Trunkenheitsfahrt auch dann möglich, selbst wenn der Betroffene eine BAK über 1,1 und unter 1,6 Promille aufwies und keinerlei alkoholbedingte Ausfallerscheinungen erkennen ließ.
Das Bundesverwaltungsgericht stützt seine Entscheidung auf § 13 Fahrerlaubnis-Verordnung (FEV), der wie folgt lautet:
„Zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen ordnet die Fahrerlaubnisbehörde an, dass … […]
2. ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist, wenn
a) … sonst Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen,
b) wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss im Straßenverkehr begangen wurden,
c) ein Fahrzeug im Straßenverkehr mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr …. geführt wurde, …“
Die Anordnung der MPU nach einmaliger Trunkenheitsfahrt ist in diesem Fall gerechtfertigt, weil die hohe Blutalkoholkonzentration und die fehlenden Ausfallerscheinungen Tatsachen darstellen, die die Annahme eines Alkoholmissbrauchs begründen, wie es § 13 Satz 1 Nr. 2 a) FEV verlangt. Um die darauf beruhenden Zweifel an der Fahreignung zu klären, darf die Fahrerlaubnisbehörde danach ein medizinisch-psychologisches Gutachten anordnen.
Kläger verweigert MPU trotz fahrlässiger Trunkenheitsheitsfahrt mit über 1,1 Promille

Geklagt hatte ein Mann, der nach einer Alkoholfahrt mit 1,3 Promille wegen fahrerlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr nach § 316 StGB verurteilt wurde. Das Strafgericht entzog ihm außerdem die Fahrerlaubnis.
Später beantragte der Kläger die Neuerteilung der Fahrerlaubnis, woraufhin die Fahrerlaubnisbehörde aufforderte, eine MPU nach einmaliger Trunkenheitsfahrt zu erbringen. Sie stützte ihre Anordnung auf den oben erwähnten § 13 Satz 1 Nr. 2 a) FeV. Der Kläger legte jedoch kein entsprechendes Gutachten vor, weshalb die Behörde seinen Antrag auf Neuerteilung unter Berufung auf § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV ablehnte.
„Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf sie bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen.“
[Quelle: § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV]
Während die erste Instanz diese Klage abwies, verpflichtete das Berufungsgericht die Fahrerlaubnisbehörde zur Neuerteilung der Fahrerlaubnis ohne MPU. Nach einmaliger Trunkenheitsfahrt mit einer BAK von 1,3 Promille könne die Anordnung der MPU nicht allein mit den fehlenden Ausfallerscheinungen begründet werden.
Das Bundesverwaltungsgericht änderte dieses Berufungsurteil, weil die Behörde aufgrund des fehlenden Gutachtens sehr wohl auf die Nichteignung des Klägers schließen durfte. Laut BVerwG ist die Anordnung einer MPU ab 1,1 Promille möglich.
Denn gerade die fehlenden Ausfallerscheinungen lassen die Schlussfolgerung zu, dass bei den Betroffenen bereits eine hohe Alkoholgewöhnung und damit eine erhöhte Rückfallgefahr besteht. Aufgrund dieser Trinkfestigkeit kann der Betroffene „die Auswirkungen seines Alkoholkonsums auf die Fahrsicherheit nicht mehr realistisch einschätzen“.