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Fiktive Abrechnung: Unfallschaden regulieren ohne Kfz zu reparieren

Von Thomas R.

Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

So funktioniert die fiktive Schadensabrechnung

Die fiktive Abrechnung greift, wenn Sie Ihr Unfallauto nicht komplett reparieren lassen möchten.
Die fiktive Abrechnung greift, wenn Sie Ihr Unfallauto nicht komplett reparieren lassen möchten.

Im Verkehrsrecht ist die Schadensregulierung nach einem Unfall klar geregelt: Die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers zahlt die Reparaturkosten des Geschädigten. Was aber, wenn dieser das Auto gar nicht reparieren lassen will? Muss er dann auf die Reparaturkosten verzichten?

In dieser Konstellation greift das Prinzip „fiktive Abrechnung“: Sie erhalten von der gegnerischen Versicherung jene Beträge, welche entstanden wären, wenn Sie das Fahrzeug reparieren würden. Dieses Konstrukt hält jedoch allerhand Stolperfallen bereit.

Erfahren Sie im Folgenden, was es mit der fiktiven Abrechnung auf sich hat, welche Bedingungen gelten und wann Geschädigte ihren Anspruch verlieren.

FAQ: Fiktive Abrechnung

Was ist eine fiktive Abrechnung?

Wenn der Geschädigte das Kfz selbst repariert oder auf die Reparatur verzichtet, kann er trotzdem Schadensersatz verlangen. Dafür wird die fiktive Abrechnung erstellt.

Welche Kosten können im Rahmen der fiktiven Abrechnung geltend gemacht werden?

Beispielsweise können die Gutachter-Kosten in Rechnung gestellt werden. Klicken Sie her, um in unserer Liste alle Posten nachzulesen.

Was wird für die fiktive Abrechnung benötigt?

Das es keine Reparaturbestätigung bzw. Rechnungen gibt, ist ein Kfz-Gutachten in diesem Fall unabdingbar.

So machen Sie nach einem Unfall eine fiktive Abrechnung beim Versicherer geltend

Eine fiktive Abrechnung wird nach einem Gutachten durchgeführt. Dieses ermittelt die Höhe der Reparaturkosten, welche für eine vollständige Instandsetzung der Unfallschäden notwendig sind.

Bei einer „normalen“ konkreten Abrechnung, legt der Geschädigte sämtliche Werkstattrechnungen vor, um die entsprechenden Beträge zurückzuerhalten. Die fiktive Abrechnung kommt dann ins Spiel, wenn Betroffene keine oder nicht alle Reparaturen durchführen lassen möchten.

In diesem Fall können sie dennoch den fiktiv errechneten Reparaturbetrag geltend machen.

Fiktive Abrechnung? Nicht ohne Gutachter!

Die fiktive Abrechnung basiert auf einem Gutachten.
Die fiktive Abrechnung basiert auf einem Gutachten.

Es wird deutlich: Die Höhe des Schadens bzw. der zu erwartenden Reparaturkosten muss genau beziffert werden. Eine eigenmächtige Schätzung reicht hierbei nicht aus.

Sie müssen nicht mit dem Gutachter vorliebnehmen, der von der gegnerischen Versicherung vorgeschlagen wird: Geschädigte haben das Recht, einen eigenen Sachverständigen hierfür zu beauftragen.

Wichtig hierbei ist, dass dieser qualifiziert ist: Er sollte den Titel „öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger“ tragen und im Idealfall einen Sachkundenachweis führen. Sie können auf Gutachter vom TÜV oder der DEKRA oder auf freiberufliche Sachverständige zurückgreifen.

Eine Ausnahme von der Gutachterpflicht besteht bei sehr kleinen Schäden – sogenannten „Bagatellschäden“. Hier reicht es in der Regel aus, wenn der Geschädigte den Kostenvoranschlag einer Werkstatt bei der Versicherung einreicht.

Diese Posten können Sie durch eine fiktive Abrechnung geltend machen

Welche Beträge gehören nun in einen Antrag auf fiktive Abrechnung?

  • Reparaturkosten: Der Gutachter bezieht sich hierbei meist auf den Stundenlohn einer markengebundenen Werkstatt – dies kann zu Reibungen mit der Versicherung führen. Dazu jedoch mehr im folgenden Kapitel.
  • Nutzungsausfall: Nach einem Unfall können Sie entweder einen Mietwagen auf Kosten der gegnerischen Versicherung in Anspruch nehmen, oder einen Nutzungsausfall geltend machen.Erstere Option gehört nicht zur fiktiven Abrechnung – immerhin erhalten Sie einen reellen Gegenwert für die gezahlten Beträge. Eine Nutzungsausfallentschädigung können Sie hingegen im Rahmen einer fiktiven Abrechnung für den Zeitraum der hypothetischen Reparatur geltend machen.
  • Anwaltskosten: Ist die Zuhilfenahme eines Anwalts nötig, um Ihre Ansprüche geltend zu machen, muss die gegnerische Versicherung für die entstehenden Gebühren aufkommen.
  • Gutachterkosten: Da eine fiktive Abrechnung nicht ohne Gutachter möglich ist, sind die entsprechenden Kosten ebenfalls von der Versicherung zu zahlen.

Eine Besonderheit der fiktiven Schadensabrechnung liegt in der Übernahme der Mehrwertsteuer. Bis 2002 erhielten Geschädigte die Brutto-Reparaturkosten – Mehrwertsteuer inklusive. Seit diesem Datum erhalten Betroffene lediglich die Netto-Beträge, da aufgrund der fehlenden Reparatur keine Steuer zu bezahlen ist.

Da für Anwalts- und Gutachtergebühren eine Mehrwertsteuer zu entrichten ist, wird sie für diese Posten von der Versicherung gezahlt.

Wenn Sie einen Teil der Reparaturen durchführen und nur den Rest fiktiv abrechnen lassen, erhalten Sie die Mehrwertsteuer anteilig für jene Unfallkosten, welche tatsächlich angefallen sind.

Stolperfallen: Dann geht die fiktive Abrechnung nach hinten los

Fiktive Abrechnung: Einen Nutzungsausfall können Sie geltend machen.
Fiktive Abrechnung: Einen Nutzungsausfall können Sie geltend machen.

Eine fiktive Abrechnung ist nach einem Unfall nur dann möglich, wenn kein sogenannter Totalschaden vorliegt. Von einem solchen ist die Rede, wenn die Reparaturkosten mehr als 130 % des Wiederbeschaffungswertes betragen.

Letzterer Begriff bezeichnet die Summe, welche der Geschädigte aufbringen müsste, um sich ein Fahrzeug zu kaufen, welches dem beschädigten Kfz im Zustand vor dem Unfall gleichwertig ist. Reichen Sie nur ein Gutachten ein, welches über 130 % teurer ist als dieser Wert, wird die gegnerische Versicherung die Zahlung verweigern.

Im Fall eines Totalschadens muss Sie nämlich lediglich den Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwertes des verunfallten Kfz bezahlen. In einigen Fällen liegt die Grenze bei 100 % des Wiederbeschaffungswertes.

Hierbei ist es für den Versicherer irrelevant, ob Sie das Auto dennoch reparieren lassen oder nicht.

Schadenminderungspflicht und Bereicherungsverbot

Schwierigkeiten entstehen bei einer fiktiven Abrechnung meist bei der Feststellung der Höhe der Reparaturkosten. Gutachter gehen hier in der Regel von den Stundensätzen einer markengebundenen Werkstatt aus – welche üblicherweise teurer ist als „freie“ Fachwerkstätten.

Viele Versicherer verweisen auf günstigere Angebote und streichen mitunter hohe Beträge. Dabei beziehen sie sich auf zwei Grundsätze: die Schadensminderungspflicht und das Bereicherungsverbot des Geschädigten.

Erstes Prinzip besagt, dass ein Unfallopfer die Schadensersatzposten nicht künstlich in die Höhe treiben darf, sondern vielmehr alles dafür tun muss, um die Kosten niedrig zu halten. Des weiteren sollen Versicherer durch ihre Zahlungen den Zustand herstellen, welcher vor dem Unfall vorherrschte – Geschädigte dürfen aber nicht an dem Zusammenstoß verdienen (Bereicherungsverbot).

Dies bedeutet aber nicht, dass Betroffene fiktive Reparaturkosten einer markengebundenen Werkstatt nicht geltend machen können. Eine der beiden folgenden Voraussetzungen muss dafür eingehalten werden:

  • Das Auto ist weniger als drei Jahre alt.
  • Das Auto wurde stets in einer markengebundenen Werkstatt repariert – dies können Sie durch Belege nachweisen (siehe auch BGH-Urteil vom 20.10.2009, Az. VI ZR 53/09).
Stellt sich die Versicherung quer, empfiehlt es sich, einen versierten Anwalt für Verkehrsrecht hinzuzuziehen. Oftmals erfolgt die Zahlung nach einem Briefwechsel mit einem Rechtsanwalt ohne Kürzungen.

Lassen sich fiktive Abrechnung und Verkauf der Autos vereinbaren?

Möchten Sie das verunfallte Auto verkaufen, nachdem Sie die Unfallschäden fiktiv haben abrechnen lassen, ist eine Frist von sechs Monaten einzuhalten, innerhalb welcher Sie das Auto weiternutzen.

Verkaufen Sie Ihr Fahrzeug vor Ablauf dieser Frist, können Sie lediglich jenen Kosten zurückverlangen, welche tatsächlich angefallen sind, geltend machen. Dies bestätigte ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) im Jahr 2011. Überlegen Sie daher vorab, was Sie mit dem Unfallauto vorhaben.

Lohnt sich die fiktive Abrechnung?

Die fiktive Abrechnung von einem Haftpflichtschaden lohnt sich, wenn Sie die Schäden nicht reparieren lassen.
Die fiktive Abrechnung von einem Haftpflichtschaden lohnt sich, wenn Sie die Schäden nicht reparieren lassen.

Das Modell „fiktive Abrechnung“ ist nur in bestimmten Situationen lohnenswert. Nicht selten ist es mit rechtlichen Streitigkeiten mit dem Versicherer des Unfallgegners verbunden. Als Betroffener sollten Sie diese Alternative nur in Betracht ziehen, wenn:

  • Sie das Auto nicht reparieren lassen möchten. Insbesondere bei älteren Fahrzeugen verzichten Besitzer auf Reparaturen, welche lediglich der Optik dienen.
  • Sie das Auto zwar instand setzen lassen möchten, aber das Geld zunächst für andere Zwecke benötigen.
  • Sie das Auto privat kostengünstig reparieren möchten.

Eine fiktive Abrechnung lohnt sich nicht, wenn Sie Ihr Kfz tatsächlich bei einer markengebundenen Werkstatt reparieren lassen möchten: Sie müssten die Mehrwertsteuer in dieser Situation selbst zahlen.

Über den Autor

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Thomas R.

Thomas hat einen Abschluss in Politikwissenschaften von der Universität Jena. Er gehört seit 2018 zum Team von bussgeldkatalog.org und verfasst News und Ratgeber zu verschiedenen Themen im Verkehrsrecht.

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7 Kommentare

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  1. N.ul.
    Am 20. Oktober 2022 um 7:28

    Super danke für das reinstellen. Super gut erklärt. Die Versicherer sind doch eh Vernögend, warum versuchen die zu kürzen.

  2. Leia
    Am 14. Januar 2022 um 22:36

    Moin,

    ich hatte einen Wildunfall. Habe bei einer Vertragswerkstatt meiner Versicherung einen Kostenvoranschlag/Gutachten erstellen lassen. Nach einiger Zeit hat mich die Versicherung angerufen und gesagt der Schaden ist freigegeben ob ich reparieren lassen möchte oder ob ich mir den Schaden auszahlen lassen möchte. Nach Rücksprache der Versicherung habe ich mir den Schaden auszahlen lassen und mich dazu entschieden einen Teil des Schadens zu lassen und einen anderen Teil eigenständig zu reparieren.

    Ich rief also die Werkstatt an und habe mich für die Beratung bedankt und ihnen mitgeilt das ich mir den Schaden hab auszahlen lassen. Daraufhin wurde mir eine Rechnung gestellt über einen exorbitaten Betrag, weil die Werkstatt bereits alle notwendigen Teile bestellt hat und sie nun wieder zurückschicken musste. Für das Handling haben sie mir 300 Euro in Rechnung gestellt, die ich mich nun weigere zu zahlen.

    Ist jemanden das Selbe schonmal passiert? Ich finde diese Vorgehensweise eine miese Abzocke seitens der Werkstatt, wer weiß wie oft die das machen, wenn man sich auszahlen lässt und sich so bereichern.

    Beste Grüße

  3. Johan
    Am 3. September 2020 um 9:21

    Ab wann gilt die Frist mit den 6 Monaten bezüglich weiter verkaufen?

    Ab dem Unfall, Reparatur Bestätigung oder dem Auszahlungs Datum?

  4. Thomas
    Am 24. Juni 2020 um 21:00

    Hallo,

    meine Frau ist Unfallgegnerin und ein Haftpflichtschaden soll abgewickelt werden. Das Fahrzeug hat mit dem Unfallschaden einen Restwert von 4500 €. Der fiktive Betrag zur Barechnung ist auf ca. 3300 € festgesetzt worden. Der Restwert nach Reparatur beträgt 7000 €. Der Wiederbeschaffungsaufwand 2500 €.

    Wir wollen das Auto zeitnah verkaufen. Verstehe ich das richtig das dann nur der Wiederbeschaffungsaufwand geltend gemacht werden kann und die 2500 Uhr bezahlt werden. Wird hiervon ggf noch die MWST abgezogen?

  5. Dierk
    Am 3. April 2020 um 19:50

    ausgezeichnetenErklärung über fiktive Abrechnung eines KFZ- Schadens !!
    5 Sterne

  6. Erwin
    Am 17. Dezember 2019 um 23:38

    Hallo,
    Steht mir bei einer fiktiven Abrechung die von Gutachter angesetzte Wertmiderung zu?
    Ps) der Geschädigte Pkw ist 7 Monate alt und wie auch im.Gutachten beschrieben u unfallfrei und ohne Mängel.

  7. Axel
    Am 6. Februar 2019 um 1:32

    Meine Frau hatte einen Unfall im Januar schuldlos passiert beim Spurwechsel hat sie jemand touchiert.Nach dem Üblichen Prozedere mit Polizei und Anwalt und Gutachter,kam dann das Gutachten das die reinen Reperaturkosten auf 1635 ,00Euro
    zusammenfasste ohne Mehrwertsteuer.Daraufhin hat die gegnerische Versicherung den betrag um gut 500Euro gekürzt mit der Begründung das Fahrzeug 15 Jahre alt und wenn ich nicht ein Lückenloses Scheckheft nachweisen kann das daß dann rechtens wäre!
    Nun Habe ich aber das Fahrzeug erst seit August letzten Jahres dieses war aus 1 Hand mit einem Km Stand von 82300km.
    jetzt hat der Wagen 88600 km weg und sah bis vor diesem Unfall noch sehr gut aus.Scheckheft habe ich zwar aber nicht lückenlos vom Vorbesitzer durchgestempelt.Muß ich mir sowas Gefallen lassen als Harmloser Bürgen der auch noch Erwerbsunfähig Berentet ist.Muß ich mich mit einem Pack auf eine Stufe stellen lassen die die Versicherungen Jahrzehnte abgezogt haben?Unser letzter Unverschulderter Unfall liegt weit über 18 Jahre zurück.Kann ich da garnichts machen?
    Hochachtungvoll Axel

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