Falsche Verdächtigung: Eine Straftat gemäß § 164 StGB

Von Dr. Philipp Hammerich

Letzte Aktualisierung am: 12. Februar 2025

Geschätzte Lesezeit: 7 Minuten

Was sieht der Tatbestand der falschen Verdächtigung vor?

Schmerzensgeld: Gegebenenfalls kann falsche Verdächtigung Ansprüche begründen.
Schmerzensgeld: Gegebenenfalls kann falsche Verdächtigung Ansprüche begründen.

Das Strafgesetzbuch (kurz: StGB) kennt verschiedene Straftatbestände der unterschiedlichsten Art und Ausgestaltung. Sie unterscheiden sich mitunter in ihren Voraussetzungen, im jeweiligen Strafmaß und in Bezug auf das jeweils zu schützende Rechtsgut.

Neben Vermögensdelikten oder Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit einer Person kennt das deutsche Strafrecht auch eine ganze Reihe sogenannter Ehrdelikte. Bei diesen ist, wie der Name schön verrät, die Ehre einer Person eines der geschützten Rechtsgüter. Ebenso wie die falsche Verdächtigung ist die Verleumdung im Sinne des § 187 StGB ein derartiges Ehrdelikt.

Im folgenden Ratgeber wollen wir Sie über das Delikt der falschen Verdächtigung informieren und dabei unter anderem folgenden Fragen für Sie auf den Grund gehen:

Welche Tathandlung fällt im Einzelnen unter den Tatbestand und welche gesetzliche Grundlage im StGB hat die falsche Verdächtigung? Welche Strafe droht einem Täter, der sich einer falschen Verdächtigung schuldig gemacht hat und welche Verjährungsfristen gelten in Bezug auf das Delikt? Außerdem klären wir Sie darüber auf, was Sie ggf. noch im Rahmen eines Zivilprozesses erreichen können.

FAQ: Falsche Verdächtigungen

Ist eine falsche Verdächtigung eine Straftat?

Gemäß den Bestimmungen in § 164 Strafgesetzbuch (StGB) werden falsche Verdächtigungen als Straftat gewertet.

Welches Strafmaß ist bei falschen Verdächtigungen möglich?

Laut StGB werden falsche Verdächtigungen entweder mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von bis zu 5 Jahren geahndet.

Ist ein Schmerzensgeld bei falschen Verdächtigungen möglich?

Unter Umständen kann ein Anspruch auf Schmerzensgeld begründet sein, wenn falsche Verdächtigungen vorgebracht wurden.

Tathandlung und gesetzliche Grundlage

Wird jemand zu Unrecht bei der Polizei angeschwärzt, reagieren Betroffene häufig mit einer Gegenanzeige. Denn eine falsche Verdächtigung ist alles andere als ein Kavaliersdelikt. Doch was genau ist vom Tatbestand erfasst? Und wo ist er gesetzlich verankert?

Zunächst einmal normiert § 164 Absatz 1 StGB die falsche Verdächtigung als Straftatbestand. In der Regel wird danach eine falsche Verdächtigung mittels falscher Anzeige begangen.

Der Norm des § 164 Absatz 1 StGB zufolge macht sich strafbar, wer einen anderen mit Vorsatz

  • bei einer Behörde,
  • einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Amtsträger oder militärischen Vorgesetzten
  • oder aber öffentlich

wider besseres Wissen

  • einer rechtswidrigen Tat oder
  • der Verletzung einer Dienstpflicht

verdächtigt.

Dabei muss der Täter die Absicht verfolgen, gegen den anderen ein behördliches Verfahren oder eine andere behördliche Maßnahme herbeizuführen oder fortdauern zu lassen.

Wann ist eine Verdächtigung falsch?

Falsche Verdächtigung: Ein Strafantrag ist nicht vonnöten.
Falsche Verdächtigung: Ein Strafantrag ist nicht vonnöten.

Zunächst einmal gilt eine Verdächtigung dann als falsch, wenn sie objektiv nicht wahr ist. Wenn also beispielsweise jemand behauptet, ein anderer hätte eine bestimmte Sache getan und dies tatsächlich nicht stimmt, so ist die Behauptung falsch.

Sofern die Tat allein subjektiv – also nach der eigenen Wahrnehmung des Täters – unwahr ist, objektiv aber der Wahrheit entspricht, macht sich der Täter nicht nach § 164 Absatz 1 StGB strafbar.

Beispiel: Herr X behauptet, Herr Y habe eine Bank ausgeraubt, obwohl Herr X selbst davon ausgeht, dass dies gar nicht stimmt. Tatsächlich hat aber Herr Y eben jene Bank ausgeraubt.

Diese Behauptung ist somit objektiv wahr. Herr X hat sich mithin weder wegen versuchter noch wegen vollendeter falscher Verdächtigung strafbar gemacht.

Eine versuchte falsche Verdächtigung gibt es nicht. Demnach scheidet also auch eine Strafbarkeit wegen einer Versuchstat in diesem Fall aus.

Was bedeutet „verdächtigen“?

Unter einer Verdächtigung im Sinne des § 164 Absatz 1 StGB ist zunächst einmal das Behaupten von falschen Tatsachen zu verstehen. Falsche Verdächtigungen können jedoch auch aufgrund von jedem anderen Verhalten begangen werden, welches einen falschen Verdacht verursacht oder verstärkt.

Hingegen reicht es nicht aus, wenn jemand Vermutungen äußert oder aber falsche Schlussfolgerungen aus richtigen Tatsachen zieht.

Beispiel: Herr X erzählt der Polizei, er vermute, dass Herr Y jemanden bestohlen hat. Dies ist eine bloße Vermutung und erfüllt nicht den Tatbestand des § 164 Absatz 1 StGB. Ebenso wäre es nicht strafbar, wenn Herr X die Vermutung anstellt, Herr Y sei – was nicht stimmt – in kriminelle Machenschaften verwickelt, weil dieser plötzlich über mehr Geld verfügt als gewöhnlich (was wiederum stimmt). Dies wäre lediglich eine falsche Schlussfolgerung aus den richtigen Tatsachen.

Die Verdächtigung muss sich ferner stets auf eine Straftat beziehen oder aber auf eine dienstpflichtwidrige Handlung. Eine Dienstpflichtverletzung liegt vor, wenn ein Beamter eine Pflicht gegenüber seinem Dienstherrn verletzt.

Nicht ausreichend ist die falsche Verdächtigung wegen einer Ordnungswidrigkeit.

Beispiel: Wenn also Herr X der Polizei gegenüber angibt, Herr Y habe eine Geschwindigkeitsüberschreitung begangen, obwohl dies nicht stimmt, macht sich Herr X nicht wegen falscher Verdächtigung gemäß § 164 Absatz 1 StGB strafbar.

Welche Strafe zieht die falsche Verdächtigung nach sich?

Es stellt sich ferner die Frage nach dem Strafmaß. Wer eine falsche Verdächtigung im Sinne des § 164 Absatz 1 StGB begeht, dem droht eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder aber eine Geldstrafe.

Der Tatbestand der falschen Verdächtigung nach § 164 Absatz 1 StGB ist mithin – in Abgrenzung zum Verbrechen – als ein Vergehen ausgestaltet.

Von einem Verbrechen ist immer dann die Rede, wenn der Strafrahmen einer Norm in seinem Mindestmaß eine Freiheitsstrafe von einem Jahr vorsieht. Alles, was im Mindestmaß unter einem Jahr Freiheitsstrafe liegt, ist demgegenüber als Vergehen zu bezeichnen.

Welches Rechtsgut schützt die Norm?

Was tun im Falle einer Strafanzeige? Falsche Verdächtigung sollte nicht auf die leichte Schulter genommen werden.
Was tun im Falle einer Strafanzeige? Falsche Verdächtigung sollte nicht auf die leichte Schulter genommen werden.

Der Tatbestand der falschen Verdächtigung nach § 164 Absatz 1 StGB schützt nach der allgemein herrschenden Meinung die Rechtspflege sowie die unnötige Belastung und Inanspruchnahme der Strafverfolgungsbehörden. Die Norm soll also die Polizei und Staatsanwaltschaften davor schützen, mit einer Vielzahl nicht der Wahrheit entsprechender Anzeigen überhäuft zu werden. Immerhin müssen die Behörden jeden zur Anzeige gebrachten Vorfall überprüfen, was wiederum einen Arbeitsaufwand nach sich zieht.

Aus diesem Gedanken des Schutzzwecks der Strafrechtspflege ergibt sich wiederum, dass eine rechtfertigende Einwilligung (die zur Strafbefreiung des Täters führen würde) ausgeschlossen ist. Denn besagtes Rechtsgut liegt außerhalb der Dispositionsbefugnis des Opfers. Das bedeutet, dass das Opfer nicht über das Rechtsgut verfügen oder bestimmen kann. Es liegt sozusagen nicht in seinem Herrschaftsbereich.

Zudem schützt die falsche Verdächtigung auch den jeweils einzelnen von der Tat Betroffenen und zu Unrecht Angeschwärzten. Dieser soll davor bewahrt werden, sich mit unbegründeten strafrechtlichen Vorwürfen konfrontiert zu sehen und verteidigen zu müssen.

Gut zu wissen: Bei der falschen Verdächtigung handelt es sich nicht um ein Antragsdelikt. Ein entsprechender Strafantrag muss mithin nicht gestellt werden.

Falsche Verdächtigung: Wann tritt Verjährung ein?

Bezüglich der Frage nach der Verjährung einer Straftat, sind zunächst einmal folgende Begriffe voneinander zu trennen: Zum einen der Begriff der Verfolgungsverjährung und zum anderen jener der Vollstreckungsverjährung.

  • Verfolgungsverjährung bedeutet, dass ein Täter nach dem Ablauf einer bestimmten – jeweils gesetzlich festgelegten – Zeit nicht mehr behördlich (beispielsweise durch die Polizei oder die Staatsanwaltschaft) verfolgt werden kann. Wird eine Tat also erst nach Ablauf der Frist zur Verfolgungsverjährung entdeckt, so sind den Behörden die Hände gebunden. Sie können also nicht mehr gegen den Täter ermitteln.
  • Im Falle der sogenannten Vollstreckungsverjährung hingegen hat eine behördliche Strafverfolgung bereits stattgefunden und es kam zudem auch schon zu einem Gerichtsprozess und einer entsprechenden Verurteilung des Täters. Wird die Strafe dann allerdings nicht innerhalb einer bestimmten Zeitspanne vollstreckt, tritt auch hier irgendwann Verjährung ein. Dann ist von der sogenannten Vollstreckungsverjährung die Rede. Diese Frist ist, ebenso wie die Frist zur Verfolgungsverjährung, von Delikt zu Delikt unterschiedlich lang.
Die Verfolgungsverjährung findet ihre gesetzliche Grundlage in den Paragraphen 78 folgende des StGB. In Bezug auf die falsche Verdächtigung beträgt die Verjährungsfrist hier beispielsweise fünf Jahre. Dies ergibt sich wiederum aus § 78 Absatz 3 Nr. 4 StGB.
Falsche Verdächtigung: Die Polizei nimmt Ihre Anzeige entgegen.
Falsche Verdächtigung: Die Polizei nimmt Ihre Anzeige entgegen.

Der Beginn der Verjährungsfrist ist stets der Zeitpunkt der Beendigung der Tat. Dies ergibt sich aus § 78a Satz 1 StGB. Für Tatbestände, die einen bestimmten Taterfolg voraussetzen, beginnt die Verjährungsfrist ab dem Zeitpunkt zu laufen, an dem der Erfolg eingetreten ist. Dies wiederum ist § 78a Satz 2 StGB zu entnehmen.

Gemäß § 79 Absatz 3 Nr. 1 StGB beträgt demgegenüber die Vollstreckungsverjährung beim Tatbestand der falschen Verdächtigung nach § 164 Absatz 1 StGB bis zu zehn Jahre (je nach im Einzelfall verhängten Strafmaß). Dies ergibt sich aus § 79 Absatz 3 Nr. 3-5 StGB.

Auch in Bezug auf die Vollstreckungsverjährung ist entscheidendes Kriterium das jeweilige Höchstmaß einer Strafe. Die Frist zur Vollstreckungsverjährung beginnt gemäß § 79 Absatz 6 StGB ab dem Moment der Rechtskraft des Urteils zu laufen. Mehr Informationen zur Verjährung von Straftaten haben wir für Sie in diesem Video zusammengefasst:

Wann verjähren Strafteten? Die Antwort gibt es im Video.
In diesem Video erfahren Sie, welche Verjährungsfristen bei Straftaten gelten.

Was tun bei einer Anzeige wegen falscher Verdächtigung?

Was ist zu tun im Falle einer Anzeige? Falsche Verdächtigung sollte keineswegs auf die leichte Schulter genommen werden. Wer eine Strafanzeige wegen falscher Verdächtigung am Hals hat, dem kann immerhin im schlimmsten Fall eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren drohen.

Unter Umständen kann es von Vorteil sein, frühzeitig einen Rechtsanwalt zu konsultieren. Insbesondere ein Fachanwalt für Strafrecht ist mit der Materie bestens vertraut und kennt sowohl die Abläufe im Strafverfahren als auch die aktuelle Rechtsprechung sowie die zum Teil sehr feinen Differenzierungen in Bezug auf die falsche Verdächtigung. In der Regel gilt hierbei: Je früher Sie sich anwaltlichen Rat einholen, umso besser. So laufen Sie nicht Gefahr, unüberlegte Aussagen zu tätigen, durch die Sie sich unter Umständen massiv selbst belasten.

In der Praxis enden Verfahren wegen falscher Verdächtigung, insbesondere bei Ersttätern, nicht selten mit einer Geldstrafe, deren Höhe von den konkreten Umständen des Einzelfalles abhängt, oder aber es kommt zu einer Einstellung des Verfahrens gegen Auflagen. Letzteres bringt den Vorteil, dass keine Eintragung in ein polizeiliches Führungszeugnis erfolgt.

Umgekehrt kann es sich ferner auch durchaus empfehlen, die Hilfe eines Rechtsanwaltes in Anspruch zu nehmen, wenn Sie jemand zu Unrecht bei der Polizei angezeigt hat und Sie mithin zum Opfer werden. So kann unter Umständen die falsche Verdächtigung Ansprüche auf Schmerzensgeld begründen. Allerdings kann darüber keine pauschale und universell gültige Aussage getroffen werden, da hierbei stets die ganz individuellen Umstände entscheidend sind.

Derartige Ansprüche wären dann allerdings im Rahmen eines Zivilprozesses geltend zu machen und sind nicht Teil des Strafverfahrens.

Über den Autor

Dr. Philipp Hammerich (Rechtsanwalt)
Dr. Philipp Hammerich

Dr. Philipp Hammerich bekam seine Zulassung als Rechtsanwalt in Deutschland 2007. Er studierte zuvor an der Universität Hamburg und promovierte beim damaligen Richter am BVerfG, Prof. Dr. Hoffmann-Riem. Für bussgeldkatalog.org beantwortet er verschiedene Verbraucherfragen rund um das Verkehrsrecht.

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70 Kommentare

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  1. Anne S.
    Am 24. November 2017 um 19:46

    Was ist wenn eine naricht falsch ankam zu einen der gleich zur Polizei gerannt ist.
    Da stand drinne geblockt wirst in Neun Monaten schon sehen und ich die falsch abgesendet hatte was kann man da gegegen machen ?

    • bussgeldkatalog.org
      Am 5. Dezember 2017 um 14:06

      Hallo Anne S.,

      bei einer objektiv falschen Verdächtigung können Sie eine Gegenanzeige erstatten.

      Die Redaktion von Bussgeldkatalog.org

  2. Dan
    Am 11. Oktober 2017 um 15:04

    Vielen Dank für diesen sehr guten Artikel! Es wird zunehmend schwerer, auch bei Rechtsthemen, umfassende und wertfreie Informationen zu finden. Großartig!

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