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Schmerzensgeldberechnung – Individuelles Ermessen statt fester Formel

Von Thomas R.

Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Schmerzensgeld berechnen: Eine Frage der Mathematik?

Lässt sich eine feste Summe vom Schmerzensgeld durch Formeln berechnen?
Lässt sich eine feste Summe vom Schmerzensgeld durch Formeln berechnen?

Bruchrechnung, Geometrie, Prozent- oder Zinsrechnung – für die meisten Schüler war der Mathematik-Unterricht ein Graus. In einem unübersichtlichen Wust an Formeln und Gleichungen sah so mancher vor lauter Zahlen keinen Ausweg mehr aus den unverständlichen mathematischen Gefilden.

Doch im Alltag sind Zahlengeschick und Rechenkünste immer wieder gefragt, insbesondere wenn es darum geht, Geldsummen zu ermitteln, die einem zustehen. So kommt beispielsweise immer wieder die Frage auf, wie sich beim Schmerzensgeld die Höhe berechnen lässt.

Welche Formel ist hierbei anzuwenden und gibt es eine solche überhaupt? Erfahren Sie im folgenden Ratgeber, wie die Schmerzensgeldberechnung nach einem Unfall erfolgt und welche Aspekte bei der Höhe der Entschädigungssumme eine Rolle spielen.

FAQ: Schmerzensgeldberechnung

Wie kann ich die Höhe des Schmerzensgeldes berechnen?

Es gibt keine Formel oder feste Sätze, um die Höhe des Schmerzensgeldes berechnen zu können. Vielmehr funktioniert dies mithilfe sogenannter Schmerzensgeldtabellen, die Urteile über Summen enthalten, die in der Vergangenheit bei ähnlichen Verletzungen gezahlt werden mussten.

Wie verbindlich sind diese Schmerzensgeldtabellen?

Schmerzensgeldtabellen stellen lediglich eine Orientierung dar, wenn es um die Bezifferung von Schmerzensgeldansprüchen geht. Die darin genannten Beträge sind also nicht in Stein gemeißelt.

Welche Punkte müssen bei der Schmerzensgeldberechnung Beachtung finden?

Unter anderem spielt es bei der Berechnung von Schmerzensgeld eine Rolle, wie schwer die Verletzung ist, wie viel Zeit die ärztliche Behandlung beanspruchen wird und ob ein dauerhafter Schaden zu erwarten ist oder nicht.

§ 253 BGB – Eine billige Entschädigung in Geld

Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) sieht in § 253 einen immateriellen Schuldanspruch vor, besser bekannt unter der Bezeichnung des Schmerzensgeldes. Dieses ergänzt den materiellen Schadensersatz, der unter anderem bei einem Motorrad- oder Autounfall die Kosten für Reparaturarbeiten abdeckt oder auch Gewinne erstattet, die einer Person durch Einwirkung des Zahlungspflichtigen entgangen sind.

Das Anwendungsgebiet von § 253 BGB erstreckt sich laut Gesetzestext auf die Verletzung folgender Sphären:

  • Körper (Bsp.: Körperverletzung)
  • Gesundheit (Bsp.: Mobbing)
  • Freiheit (Bsp.: Entführung)
  • sexuelle Selbstbestimmung (Bsp.: Vergewaltigung)
Grundlage für eine Schmerzensgeldberechnung sind sowohl physische als auch psychische Beeinträchtigungen, die eine billige Entschädigung in Geld nach sich ziehen können.

Wie sich jedoch eine solche billige Entschädigung konkret bemisst, geht aus dem Gesetz nicht hervor. Der Grund für diese offene, unklare Formulierung ist simpel: Die Berechnung vom Schmerzensgeld nach einem Autounfall oder anderen Schadensereignissen erfolgt individuell.

Dies geschieht entweder durch eine außergerichtliche Einigung mit dem Schädiger und dessen Versicherung oder bei einer gerichtlichen Verhandlung durch richterliches Ermessen. Eine zusätzliche Möglichkeit besteht in der Inanspruchnahme einer privaten Unfallversicherung, die für derartige Schadensfälle abgeschlossen wurde.

Der außergerichtliche Weg: Wie lässt sich Schmerzensgeld ohne Richter ausrechnen?

Grundlage zur Schmerzensgeldberechnung ist der Schmerzensgeldparagraph im BGB.
Grundlage zur Schmerzensgeldberechnung ist der Schmerzensgeldparagraph im BGB.

Scheu, Unsicherheit und die Angst vor horrenden Gerichtskosten halten viele Menschen von dem Gang vor Gericht ab und führen dazu, dem außergerichtlichen Weg Vorrang einzuräumen und den Anspruch auf Schmerzensgeld ohne Anzeige durchzusetzen.

Bei geringfügigen Verletzungen wie einer Prellung oder einer Gehirnerschütterung mag dies auch erfolgversprechend sein. Schwerwiegendere Schäden, die höhere Summen nach sich ziehen, lassen sich mitunter nicht so einfach bei der gegnerischen Versicherung einfordern.

Ob mit oder ohne Unterstützung durch einen Anwalt – der erste Schritt bei der selbstständigen Schmerzensgeldberechnung sollte der Blick in eine der einschlägigen Schmerzensgeldtabellen sein. Dabei handelt es sich um Auflistungen vergangener Urteile mit zugesprochenem Schadensersatz. Mit Hilfe vergleichbarer Verletzungen lässt sich ungefähr abschätzen bzw. eingrenzen, wie viel Geld realistisch ist.

Zu beachten ist dabei jedoch, dass es sich um wegweisende und keineswegs verbindliche Werte handelt. Im Einzelfall kann zum Beispiel eine Gehirnerschütterung eine deutlich höhere Summe begründen, als es in den Listen ersichtlich ist, wenn sie in Kombination mit einer posttraumatischen Störung auftritt oder andere Begleitumstände vorliegen.

Am üblichsten sind diese Übersichten:

  • Beck‘sche Schmerzensgeldtabelle (von Rechtsanwalt Andreas Slizyk)
  • Schmerzensgeldtabelle Hacks Ring Böhm (vom ADAC)
  • Celler Schmerzensgeldtabelle (vom Oberlandesgericht Celle)

Die Beck‘sche und die Celler Tabelle sind im Internet frei verfügbar, sodass sich hiermit das Schmerzensgeld online „berechnen“ bzw. ablesen lässt. Die Urteilssammlung von Hacks/Ring/Böhm ist nur in Buchform käuflich erwerbbar. Auch ein Rechtsanwalt oder ein Richter nutzt solche Übersichten, um sich einen Überblick über die Rechtsprechung zu verschaffen und so eine Grundlage für die jeweilige Schmerzensgeldberechnung zu haben.

Schmerzensgeld – Berechnung als Ermessensentscheidung vor Gericht

Im September 2015 entschied das Landgericht Köln über eine rekordverdächtige Schmerzensgeldsumme in dem Fall um den einstigen TV-Meteorologen Jörg Kachelmann.

635.000 Euro wurden dem Moderator wegen der verunglimpfenden Medien-Darstellungen durch den Axel-Springer-Konzern zugesprochen. Eine beachtliche Summe also, die so mancher beispielsweise für den durch eine Körperverletzung erlittenen Zahnverlust oder die Narbe im Gesicht erhalten möchte.


Doch wie kommt es überhaupt zu derartigen Beträgen im Rahmen von Prozessen? Welche Aspekte fließen in die richterliche Berechnung vom Schmerzensgeld nach einem Unfall, Mobbing oder einer Schlägerei ein?

Vor Gericht erfolgt die Schmerzensgeldberechnung nach richterlichem Ermessen.
Vor Gericht erfolgt die Schmerzensgeldberechnung nach richterlichem Ermessen.

Findet nach Einreichung einer Zivilklage eine gerichtliche Verhandlung über immaterielle Schadensersatzansprüche vor dem Amts- oder Landgericht statt, so berücksichtigen die Richter bei der Schmerzensgeldberechnung sämtliche Umstände des konkreten Falls. Dabei wird einerseits die Schädigerseite betrachtet und andererseits auch der Geschädigte unter die Lupe genommen.

Diese Aspekte hinsichtlich des Schädigers bzw. Beklagten beeinflussen die Bemessung vom Schmerzensgeld:

Da die gesamte Beweispflicht beim Anspruchsteller liegt, muss dieser einen kausalen Zusammenhang zwischen den erlittenen Schmerzen und dem Schadensereignis und demzufolge das Verschulden des Beklagten aufzeigen.

Außerdem wird nach aktueller Rechtsprechung die finanzielle Situation des Täters berücksichtigt. Nur, wenn dieser durch die Summe, die sich aus der richterlichen Schmerzensgeldberechnung ergibt, auch einen gewissen Einschnitt erfährt, wird der Genugtuungsfunktion Rechnung getragen.

Diese verlangt vom Täter Buße für das zugefügte Leid. Wird ein Millionär zur Zahlung weniger Hundert Euro veranlasst, kann die Bußfunktion stark angezweifelt werden. Allerdings darf der Betrag den Zahlungspflichtigen ebenso wenig in finanzielle Not bringen.

Treten der Schädiger bzw. dessen Versicherung bei der Schadensregulierung sehr zögerlich auf und versuchen, den Prozess unnötig in die Länge zu ziehen, kann ein derartiges Verhalten auf die Schmerzensgeldberechnung zugunsten des Geschädigten einwirken.

Bei der Schmerzensgeldberechnung steht insbesondere der Geschädigte im Fokus. Folgende Punkte werden dabei einer genauen Betrachtung unterzogen:

  • Art und Intensität der physischen und/oder psychischen Verletzung
  • Alter, persönliche Lebensumstände
  • Ausmaß der Lebensbeeinträchtigung, bleibende Behinderungen, Entstellungen oder Narben
  • Intensität und Dauer der aktuellen und künftigen Schmerzen
  • stationäre Behandlung, notwendige Operationen
  • Arbeitsunfähigkeit
  • soziale Beeinträchtigungen (Zerrüttung von Ehe, Partnerschaft oder Familie)

Mittels Arzt- und Sachverständigengutachten muss der Verunfallte all diese Aspekte nachweisen. Je mehr Folgen er auf das Schadensereignis zurückführen kann, desto höher wird das Ergebnis sein, dass sich aus der Schmerzensgeldberechnung ergibt.

Allerdings müssen auch Kriterien vorgetragen werden, die sich zulasten des Anspruchstellers auswirken, wie dessen Mitverschulden oder Erkrankungen, die bereits vor dem Unfall vorlagen.

Vorhersagbarkeit des Schmerzensgeldes: Feste Sätze von privaten Unfallversicherungen

Art der Verletzung und Intensität der Schmerzen beeinflussen die Schmerzensgeldberechnung.
Art der Verletzung und Intensität der Schmerzen beeinflussen die Schmerzensgeldberechnung.

Neben dem im deutschen Recht verankerten Anspruch auf eine billige Entschädigung bei durch Fremdeinwirkung erlittenen Schmerzen besteht die Möglichkeit, sich privat für derartige Schadensfälle abzusichern, zum Beispiel durch eine spezielle Insassenunfallversicherung.

Verschiedene Versicherungsdienstleister bieten Absicherungsmöglichkeiten mit Zusatzklauseln für Schmerzensgeld an. Hier erfolgt eine weniger komplizierte Schmerzensgeldberechnung, da die Entschädigungssummen zumeist vorab mit festen Prozentsätzen aufgeführt werden.

Der Versicherte kann der Police die Höhe des Schmerzensgeldes entnehmen, die anteilig auf die Versicherungssumme entfällt. Die Werte variieren dabei stark unter den verschiedenen Versicherungen und können je nach Beeinträchtigung der Gesundheit zwischen 25 % und 100 % liegen.

Über den Autor

Autor
Thomas R.

Thomas hat einen Abschluss in Politikwissenschaften von der Universität Jena. Er gehört seit 2018 zum Team von bussgeldkatalog.org und verfasst News und Ratgeber zu verschiedenen Themen im Verkehrsrecht.

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