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Opportunitätsprinzip: Definition und Anwendung

Von Gitte H.

Letzte Aktualisierung am: 16. März 2024

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

FAQ: Opportunitätsprinzip

Was besagt das Opportunitätsprinzip?

Gemäß dem Opportunitätsprinzip besitzen Polizei und Ordnungsbehörden gewisse Handlungsfreiheiten, die es ihnen erlauben, in einem festgelegten rechtlichen Rahmen zu handeln oder auch nicht zu handeln. Hierbei ist wichtig, dass das Einschreiten bzw. Nichteinschreiten verhältnismäßig ist und dass keine gesetzliche Regelung besteht, die für die entsprechende Situation etwas anderes vorschreibt.

Wie funktioniert das Opportunitätsprinzip bei Verkehrsordnungswidrigkeiten?

Laut § 47 OWiG kann das Opportunitätsprinzip auch bei der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten – und somit auch Verkehrsordnungswidrigkeiten – angewendet werden. Dies bedeutet, dass die Bußgeldbehörde nicht verpflichtet ist, ein Bußgeldverfahren bei einem Verkehrsverstoß zu eröffnen, sondern dies nach eigenem Ermessen entscheiden kann. Dies erläutern wir hier an einem Beispiel.

Kommt das Opportunitätsprinzip auch bei Strafverfahren zur Anwendung?

Im deutschen Strafrecht gilt üblicherweise das Legalitätsprinzip. In Ausnahmefällen ist allerdings auch hier die Anwendung des Opportunitätsprinzips möglich. Mehr dazu erfahren Sie hier.

Das Opportunitätsprinzip gemäß OWiG

Opportunitätsprinzip: Die Rechtsgrundlage bildet das OWiG.
Opportunitätsprinzip: Die Rechtsgrundlage bildet das OWiG.

Nicht jede festgestellte Ordnungswidrigkeit muss zwangsläufig ein Verwarnungs- oder Bußgeld nach sich ziehen. Denn sowohl die Polizei als auch die Bußgeldbehörde können unter Umständen entscheiden, von einer Verfolgung des Verstoßes abzusehen. Möglich wird das durch das sogenannte Opportunitätsprinzip, welches eine gewisse juristische Handlungsfreiheit vor allem in Bezug auf Ordnungswidrigkeiten erlaubt.

Das Opportunitätsprinzip wird durch verschiedene Rechtsgrundlagen gesichert. Diese finden sich vor allem im Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG): Für die Polizei wird das Opportunitätsprinzip im § 53 OWiG geregelt, für die Bußgeldbehörde im § 47. In beiden Paragraphen wird jeweils im ersten Absatz festgelegt, dass die entsprechenden Beamten „nach pflichtgemäßem Ermessen” zu handeln haben, wenn es darum geht, Ordnungswidrigkeiten zu erforschen bzw. zu verfolgen. Dies ist die Kernaussage des Opportunitätsprinzips.

Opportunitätsprinzip bei Verkehrsordnungswidrigkeiten: ein Anwendungsbeispiel

„Nach pflichtgemäßem Ermessen” bedeutet, dass die Beamten nicht einfach aus einer Laune heraus entscheiden dürfen, ob sie einen Verstoß ahnden oder nicht. Stattdessen müssen die individuellen Umstände der jeweiligen Situation berücksichtigt und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt werden. Zudem gelten ein Willkürverbot und der Gleichheitssatz.

Dazu ein Beispiel: Ein Autofahrer kommt mitten in der Nacht an eine verkehrsarme Kreuzung mit Stoppschild. Weit und breit ist kein anderer Verkehrsteilnehmer zu sehen, also missachtet der Autofahrer das Haltgebot des Stoppschildes und fährt ohne anzuhalten über die Kreuzung. Dabei wird er zufällig von einer Polizeistreife beobachtet. Prinzipiell hat diese das Recht, den Verstoß zu ahnden. Doch weil in dieser Situation absolut niemand behindert oder gefährdet wurde, wäre dies eine reine Formalität. Die Beamten sehen deshalb gemäß Opportunitätsprinzip davon ab, diese Ordnungswidrigkeit zu verfolgen.

Kommt es kurz darauf zu einer ähnlichen Situation mit einem anderen Autofahrer und die Polizisten entscheiden diesmal, die Missachtung des Stoppschildes zu ahnden, verstößt das gegen den Gleichheitssatz. Denn da die Umstände die gleichen sind, besteht kein Grund, dem einen Autofahrer die Ordnungswidrigkeit durchgehen zu lassen und dem anderen nicht.

Im Strafrecht wird das Opportunitätsprinzip nur ausnahmsweise angewendet

Bei Strafverfahren gilt das Opportunitätsprinzip üblicherweise nicht. Stattdessen findet hier das Legalitätsprinzip Anwendung. Dieses stellt das Gegenteil zum Opportunitätsprinzip dar und verpflichtet die Strafverfolgungsbehörden zur Eröffnung des Verfahrens (bei ausreichendem Anfangsverdacht).

Bei Strafverfahren findet das Opportunitätsprinzip eher selten Anwendung.
Bei Strafverfahren findet das Opportunitätsprinzip eher selten Anwendung.

In Ausnahmefällen kann das Opportunitätsprinzip jedoch auch im Strafrecht angewendet werden. Die Rechtsgrundlage für diese Ausnahme bildet § 153 der Strafprozeßordnung (StPO). Dieser legt fest, unter welchen Umständen die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung einer Straftat absehen kann. Dazu müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Es handelt sich bei der Tat um ein Vergehen, kein Verbrechen.
  • Die Schuld des Täters ist als gering anzusehen.
  • Es besteht kein öffentliches Interesse an der Verfolgung der Tat.
  • Das für das Hauptverfahren zuständige Gericht gibt seine Zustimmung, von der Verfolgung abzusehen.

Die letzte Bedingung gilt nicht, wenn das entsprechende Vergehen nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafe bedroht ist und wenn die Tat nur geringe Folgen hatte. In diesem Fall ist die Zustimmung des Gerichts nicht erforderlich.

Quellen und weiterführende Links

Über den Autor

Gitte
Gitte H.

Gitte erhielt ihren Master-Abschluss in Germanistik und Kommunikationswissenschaften. Als Redakteurin schreibt sie Ratgeber im Bereich Verkehrsrecht und unterstützt die bussgeldkatalog.org-Redaktion tatkräftig im Lektorat. Außerdem zählen die Pflege und Kontrolle unseres YouTube-Kanals zu ihren Kernaufgaben.

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